Update 31.01.2024: Das »Gasthaus Adler« in Kronberg hat der Redaktion per Mail mitgeteilt, dass das im Artikel benannte »Kaiserin-Friedrich-Dinner« abgesagt ist.
Zusendung einer antifaschistischen Recherchegruppe. Kontakt: recherche_rheinmain [at] systemli [dot] org, PGP-Key hier
Ein Treffen am 26. Januar zeigt, wie sicher sich Rechte in Frankfurt bewegen können
Am 26. Januar 2024 fand in einem Restaurant auf dem Frankfurter Römerberg ein rechtes Vernetzungs- und Fundraising-Treffen statt. Der einzige Referent war der hessische AfD-Landessprecher Andreas Lichert. Ort war die »Römerstube« im ersten Stock des Restaurants »Schwarzer Stern«. Es nahmen zwischen 50 und 60 Personen teil. Der Kontext der Veranstaltung, von der Fotos vorliegen, war bislang nicht bekannt. Diesen reichen wir hiermit gern nach.
Die Veranstaltung wurde von der Frankfurter Tafelrunde ausgerichtet. Die Gruppe besteht bereits seit 1953. Sie steht für eine »abendländische« und rechtskonservative Politik unter Einbeziehung von extremen Rechten. In ihrem Kreis treffen sich vornehmlich Personen aus Wirtschaft und Kultur, die bereit sind, entsprechende Gruppen zu fördern. Die Frankfurter Tafelrunde kam Anfang der 2000er Jahre in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass zu ihren Treffen Vortragende aus den Reihen der österreichischen FPÖ und der sogenannten »Neuen Rechten« eingeladen worden waren. Unter ihnen war beispielsweise Karlheinz Weißmann, damaliger Leiter des Instituts für Staatspolitik, das als »Denkfabrik« der extremen Rechten in Deutschland gilt. Nachdem die Aktivitäten der Tafelrunde öffentlich wurden, stellte sie ihre Aktivitäten »offiziell« ein, führte sie jedoch offensichtlich im Geheimen weiter. Einladungen zu ihren Treffen erhielt nur noch ein enger Kreis von Mitgliedern und Vertrauten, über Veranstaltungen wurde nicht mehr öffentlich berichtet. Die »Tafelrunde«, die sich am vergangenen Freitag traf, versteht sich explizit als Weiterführung der alten Struktur. Die Anzahl der Mitglieder dürfte derzeit zwischen 50 und 100 liegen. Die »Römerstube« im Schwarzen Stern wird von ihnen erst seit wenigen Jahren genutzt, die Treffen finden – soweit bekannt – höchstens einmal im Monat statt.
In den vergangenen Jahren sollen vor der Frankfurter Tafelrunde unter anderem Alice Weidel und Hans-Georg Maaßen aufgetreten sein. Andreas Lichert aus Bad Nauheim, der Referent am vergangenen Freitag, ist ein Vertreter des neofaschistischen »Flügels« der AfD. Von 2007 bis 2018 war er Vorsitzender des Vereins für Staatspolitik, dem Trägerverein des Instituts für Staatspolitik (IfS).
Die Organisatorinnen der Frankfurter Tafelrunde sind Rüdiger Graf von Luxburg und Astrid Gräfin von Luxburg. Letztere fungierte auch als Gastgeberin am 26. Januar und stellte den Referenten Andreas Lichert den Anwesenden vor. Das Ehepaar lebt in Sien bei Idar-Oberstein, doch sind beide eng mit dem Rhein-Main-Gebiet verbunden. Beide betreiben eine Agentur für »Kultur-Erlebnisse« für ein betuchtes Klientel: Historische Dinner-Serien, Magie-Abende mit dem Weltmeister der Zauberkunst, Ausstellungsführungen mit Sektumtrunk und Derartiges mehr. Möglicherweise verbinden die beiden in der Organisierung der Tafelrunde-Treffen auch Politik mit Geschäft. Als feste Kooperationspartnerinnen ihrer Kultur-Agentur nennen sie: Die Hessische Hausstiftung, die Kulturstiftung des Hauses Hessen, die Goethe-Universität, die Villa Rothschild, das Falkenstein Grand, die Kulturregion Frankfurt RheinMain, die Städte Bad Vilbel und Neu-Isenburg mit ihrem Verein für GHK, den Hapag Lloyd Cruises Club, die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt, die Werner Reimers Stiftung Bad Homburg, die Museen Giersch und Kronberger Malerkolonie sowie zahlreiche weitere Kulturinstitutionen der Region. Beide haben Honorarprofessuren inne: Er lehrt Baugeschichte an der Frankfurt University of Applied Sciences, sie doziert ebenda Architektur- und Kulturgeschichte und überdies auch an der Hochschule Geisenheim.
Der Kronberger Bote, ein wöchentlich erscheinendes Anzeigen- und Lokalblatt, widmete den beiden erst am 18. Januar 2024 einen ausführlichen Artikel unter der Überschrift: »Kunstvermittlung, die seit 20 Jahren nicht von der Stange ist – Das Ehepaar von Luxburg ist eine feste Größe im Kulturbetrieb.« Hier findet sich auch der Hinweis auf das nächste »Kaiser-Friedrich-Dinner« (eigentlich »Kaiserin-Friedrich-Dinner«, Anm. d. R.) mit erlesenen Speisen, das die beiden ausrichten. Es steigt am 1. Februar 2024 im »Gasthaus Adler« in Kronberg. Hier stehen die beiden sicher auch für Auskünfte zu ihrem politischen Treiben zur Verfügung.
Nun gilt es herauszufinden, wer alles zum erlesenen Kreis der Tafelrunde gehört. Der AfD-Politiker Martin Hohmann aus Neuhof bei Fulda, der auch am 26. Januar teilnahm, dürfte dort Mitglied sein. Hohmann saß von 1998 bis 2003 für die CDU im Bundestag. Nach einer antisemitischen Rede am 3. Oktober 2003 wurde er aus der Fraktion und später auch aus der CDU ausgeschlossen. Hohmann hatte Juden und Jüdinnen als Strippenzieher des Bolschewismus ausgemacht und gesagt: »Mit einer gewissen Berechtigung könnte man im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der ›Täterschaft‹ der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als ›Tätervolk‹ bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet.« Im Jahr 2016 trat Hohmann der AfD bei und zog über deren Liste erneut in den Bundestag ein; 2017 bis 2021 war er AfD-Abgeordneter. Nach der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke durch einen Neonazi im Jahr 2019 gab er der CDU eine Mitschuld an dem Verbrechen, da die Partei den »Massenzustrom an Migranten« nicht verhindert habe.
Auch Andreas Lichert war in der Vergangenheit durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Im Mai 2022 sorgte er für einen Skandal, als er in zwei Landtagsreden eine »Hochfinanz« bzw. »internationale Hochfinanz« für Preissteigerungen und für Klimaschutzpolitik verantwortlich machte. Der Begriff »Hochfinanz« dient antisemitischen Bewegungen seit über 100 Jahren als Chiffre für eine angebliche internationale jüdische Finanzmacht und eine »jüdische Weltverschwörung«. Die Schrift »Kampf gegen die Hochfinanz« von 1919 bildete eine Grundlage der Wirtschaftspolitik der NSDAP. Somit ist der Begriff, dessen sich Lichert in seinen Landtagsreden bediente, ideengeschichtlich im Antisemitismus und Nationalsozialismus verankert.
Am 27. Januar 1945 wurde das Mordlager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. So findet an diesem Datum jährlich der Holocaust-Gedenktag statt. In vielen Zeitungen sind Interviews mit den letzten lebenden Zeitzeugen zu lesen, die die Grauen der antisemitischen Vernichtungspolitik erlebten. Die Bundesregierung ruft dazu auf, den Kampf gegen Antisemitismus zu verstärken. Und in Frankfurt laden am Vorabend dieses Tages Personen aus Wirtschaft und Kultur einen Antisemiten und Neofaschisten wie Lichert ein, für seine Politik zu werben. Das zeigt, wie selbstsicher und ungestört rechte Netzwerke hier agieren (können).
Ein geheimes Treffen in ähnlicher Konstellation fand am 25. November 2023 in Potsdam statt. Seitdem dürfte allen klar sein, wohin die Politik der AfD steuert. Ob Lichert in seinem Vortrag am 26. Januar in der »Römerstube« ebenfalls einen Plan zur (»Remigration« genannten) massenhaften Vertreibung von hier lebenden Menschen vorstellte, ob er überhaupt auf das Stichwort »Remigration« einging, ist nicht bekannt. Es ist auch unerheblich. Lichert und sein Kreisverband Wetterau sind seit Jahren Propagandisten der »Remigration«. So fand am 7. April 2019 in Ortenberg im Wetteraukreis eine AfD-Veranstaltung unter dem Titel »Re-Migration und De-Islamisierung« statt. Die seiner Eröffnungsrede sagte Lichert: »Re-Migration und De-Islamisierung sind natürlich heiße Eisen. Das ist uns natürlich vollkommen bewusst und uns ist natürlich auch bewusst, dass gerade jetzt die Augen der Öffentlichkeit und die professionellen Augen des Verfassungsschutz auf uns gerichtet sind. Aber die Antwort kann doch niemals sein, dass wir jetzt vor den entscheidenden Schicksalsfragen unseres Landes, unseres Volkes, unseres Kontinents zurückweichen nur um den Kriterien der De-facto-Herrschenden zu genügen. [Applaus] Nein meine Damen und Herren, ich glaube, es ist tatsächlich absolut notwendig, dass wir gerade jetzt in dieser Phase diese Themen weiterhin aufgreifen und dass wir auch gerade jetzt in dieser Phase deutlich machen, was unsere Haltung ist.«
Seit dem Treffen in Potsdam reißen die antifaschistischen Proteste nicht ab. Am 20. Januar standen knapp 40.000 Menschen auf dem Römerberg und dem Paulsplatz, um klarzumachen: »Nie wieder ist jetzt!«. Am Abend des 26. Januar zogen unter dem Motto »Jugend gegen Faschismus« und organisiert von Fridays for Future an die 3.000 Personen durch die City. Während der Demonstration wurde das Treffen im Schwarzen Stern bekannt, und so wurde die Abschlusskundgebung spontan zum Römerberg verlegt, um dagegen zu protestieren. Die Demonstration löste sich jedoch schnell auf, nachdem die Polizei den Anwesenden mitgeteilt hatte, dass im Schwarzen Stern ein Treffen von internationalen Messegästen stattfinden würde. Diese Aussage war schlichtweg falsch. Entweder hatte die Polizei keine Ahnung über das Treffen und nahm eine unwahre Angaben der Veranstalterinnen für bare Münze. Oder sie hat bewusst eine falsche Information gestreut, um weiteren Protest zu verhindern. Damit hätte sie sich willentlich zu einem politischen Akteur auf Seiten der Rechten gemacht.
Unter den Teilnehmenden der Tafelrunde flackerte kurz Panik auf, als sie bemerkten, dass sich der Protest gegen sie richtete. Doch sie beruhigten sich, als die Antifaschist*innen abzogen. Die Sprechchöre »Ganz Frankfurt hasst die AfD« hatten nur kurz gestört. Alle nahmen wieder Platz und Lichert setzte seine Rede ungerührt fort.
Wir stellen hier eine Übersicht der Teilnehmenden des Treffens der Frankfurter Tafelrunde vom 26. Januar 2024 bereit. Hinweise zu den Teilnehmenden nehmen wir unter recherche_rheinmain [at] systemli [dot] org entgegen. Alternativ können sie an jede Antifa-Gruppe in Frankfurt geschickt werden.